Es war einmal ein kleines Engelchen names Luki, das hatte seine Ausbildung zum Schutzengel fast abgeschlossen. Ganz bald schon sollte es auf die Erde geschickt werden, um ein kleines Baby auf all seinen Wegen zu begleiten und zu schützen. Sehr aufgeregt war es und neugierig auf den kleinen Jungen, dem es für immer Weggefährte sein sollte. Besonders gespannt aber war es auf die Eltern. Denn Eltern gab es im Engelchen-Himmel nicht und Eltern mußten etwas Wunderbares sein, stellte sich Engelchen vor.

So wartete es also ungeduldig auf seinen ersten Auftrag, was es aber nicht daran hinderte, weiter seine Streiche mit den anderen Engelchen zu spielen. Jeden Morgen ganz früh, so gegen fünf Uhr, schlichen sie sich nämlich alle heimlich davon. Sie hatten die Schlüssel für die Zauberkammer entdeckt und probierten sämtliche Zaubertränke und -tinkturen aus. Und eine davon hatte eine unbeschreibliche Wirkung. Sie ähnelten für eine Zeit aufs Haar den Menschenkindern, die sie in Zukunft beschützen sollten. Das war so spannend, das sie das Spiel jeden Tag aufs neue spielen mussten, obwohl der Oberengel sie streng und eindringlich davor gewarnt hatte. Ihre Zauberkraft ging nämlich dadurch verloren, und sie konnten dann keine Schutzengel mehr sein. Aber sie durften sich eben nicht erwischen lassen.

Eines Tages juchzten die kleinen Engelchen wieder einmal vor Freude weil sie wie Menschenkinder aussahen, als eine laute Stimme unser Engelchen rief und sagte: "Es ist soweit. Dein Baby ist bald auf der Welt. Du hast alles gelernt. Jetzt mache deine Sache ordentlich." Bei diesen Worten wurde Engelchen durch einen Windhauch emporgehoben und ehe es "Halt, halt" rufen konnte, "ich bin doch nicht mehr unsichtbar, ich habe doch keine Zauberkraft", war es auch schon in rasanter Fahrt auf der Erde gelandet.

Sogleich wurde es ganz innig in die Arme gechlossen, geherzt und geküsst und von einer solchen Liebe umfangen, dass ihm vor Freude der Atem stockte. Es überlies sich einfach dieser wunderbaren Flut von Gefühlen. Das war es also. So ist es Eltern zu haben. Tausendmal schöner, als es je davon träumen konnte. Und auch sein kleiner Schützling, dem es ja jetzt Brüderchen war, lag mit den gleichen Gefühlen in den Armen der Eltern und sie gaben sich dieser Wonne außerordentlich zufrieden hin.

Derweil herrschte in der Sektion Schutzengel helle Aufregung. Die Gruppe der kleinen Lausbuben unter den Schutzengeln hatte unter großen Gewissensbissen dem Oberengel alles gebeichtet. Man konnte ja schließlich nicht einen kleinen Jungen ohne Schutzengel lassen. Der Oberengel tobte und raste und war am Ende sehr sehr ratlos was nun zu tun sei. Ein Schutzengel ohne Zauberkraft, das hatte es noch nie gegeben. Wer sollte denn das Erdenkind über alle Klippen und Gefährdungen des Lebens führen? Dem Strolch aber seine Zauberkraft wiedergeben - was mit Oberengels Spezialtinktur durchaus möglich war - hieß, die Eltern in große Traurigkeit zu stürzen, weil sie ja dann ihr Kindchen nicht mehr sehen und das überhaupt nicht verstehen konnten. Da konnte nur noch der Oberrat aller Engel eine Lösung herbeiführen. Und der wurde auf der Stelle einberufen.

Derweil war Luki, der kleine Lausebengel, von jeglichen Gewissensbissen verschont. Zu schön fand er das Erdenleben und zu wunderbar das Zusammenleben mit seiner kleinen Familie. Mama und Papa waren einfach einmalig lieb und der kleine Bruder gab ihm ein ungeheures Gefühl der Zusammengehörigkeit. Er würde ihn auch sichtbar schon genügend schützen und alle in die Flucht schlagen, die ihm etwas böses wollten. Jawohl, das hatte er ganz fest beschlossen. Und in den Schutzengelchen-Himmel, wo zugegebenermaßen auch alle sehr lieb zu ihm waren, würde er irgendwann zurückkehren. Dass sich da alle, aber auch alle vor Sorge den Kopf zerbrachen, konnte er sich in seiner Glückseligkeit gar nicht vorstellen.

Dort hatte der Oberrat der Schutzengel derweil einen Beschluß gefasst. Nun nicht gerade ganz weise. Aber es war halt ein besonders schwieriger Fall. Da mussten unterschiedliche Gefühle und Aufgaben und Menschen und Engel unter einen Hut gebracht werden. Ganz zuoberst stellte der Oberrat die Pflicht. Schutzengelchen Luki hatte die ernste Aufgabe, den neuen Erdenbürger zu schützen. Punktum! Folgt daraus, er muß wieder unsichtbar werden. Jetzt heißt es mit den Gefühlen von Mama und Papa, und - na ja, weil ihn halt alle Schutzengel lieb haben, auch wenn der Oberengel recht sauer auf ihn ist - von Luki zurecht zu kommen.

Also: Mama und Papa sind erst einmal sehr traurig, weil sie den Luki nicht mehr sehen. Der Oberengal aber hat gemerkt, dass sie sehr liebe und sensible Leute sind. Das heißt, er schickt ihnen hin und wieder einen Traum und erklärt ihnen darin die Geschichte. Die Träume muß Schutzengelchen Luki nächtens überbringen und das ist ganz schön harte Arbeit, weil er da lieber schlafen möchte. Aber das ist ein Teil seiner Strafe für seine Vorwitzigkeit. Und weil Träume ja nicht immer funktionieren, schickt der Oberengel den kleinen Lausebengel obendrein auf eine beschwerliche Reise zu einem kleinen, alten, wunderlichen Weiblein in den Schwarzwald, der er alles erzählen muß. Die schreibt die Geschehnisse nieder und übergibt die ganze Geschichte - mit einem wunderbaren Ende - den Eltern. Dann werden sie ihr schon glauben. Und wenn sie alles so recht begriffen haben, dann können sie zu den glücklichsten Eltern der Welt werden. Denn wer hat schon jemals ein Schutzengelchen in den Armen halten und liebkosen dürfen?

Das Baby ist fein raus. Das hat seinen Schutzengel. Und was für einen! So ist noch nie ein Schutzengel für sein Erdenkind geflitzt und hat aufgepasst. Schließlich liebt es ihn besonders, brüderlich eben.

Und Luki der Strolch? Er muß hart arbeiten und auf den Kleinen aufpassen. Aber das wäre sowieso seine Pficht gewesen. Nur dass er sich jetzt besonders anstrengen muß, das kommt daher, weil er die menschliche Liebe kennen gelernt hat. Und die ist nun einmal mit Sorgen um das, was man liebt, verbunden. Diese Plackerei ist ein weiterer Teil seiner Strafe für seine Neugier. Aber nie hätte der Oberengel, der Luki ins Herz geschlossen hat und insgeheim über seinen Streich schmunzeln muss, ihn dermaßen gezüchtigt, wenn er nicht genau gewußt hätte, das seinem kleinen Schutzengelchen etwas Einzigartiges und Wunderbares widerfahren war. Elternliebe nämlich, die selbst einem Schutzengel noch Flügel wachsen lässt.

Ein wenig Zucht und Ordnung aber sollte der kleine Bengel dennoch lernen. Und so schickt ihn der Oberengel einmal in der Woche zur Sonne, wo er die Strahlen auf Hochglanz polieren muss. Eine recht wachsweiche Strafe, denn die Sonne ist eine gute Freundin von Luki und blinzelt ihm immer zu, wenn er fleißig war, weil sich dann die Menschen auf der Erde freuen.

Und wenn ihr jetzt immer noch nicht galubt - liebe Eltern -, dass ein vorwitziges Schutzengelchen glücklicher sein kann, als alle anderen Schutzengel zusammen, dann schaut bei Sonnenschein zum Himmel hoch. Nur ihr könnt ihn sehen. Mit eurem Herzen voller Elternliebe. Da sitzt er - Lukas Sonnenscheinchen - auf einer Wolke ganz nah bei der Sonne und winkt Euch zu und lacht und lacht und lacht, wenn er nicht gerade auf sein Baby aufpassen muß.

 

geschrieben von Lukis Omsi E.